Heute ist der 2. September 2014
Vor einem Jahr genau ereigneten sich Dinge, die zum Tode des kleinen Ionut Anghel führten. Ein schlimmer Tod. Ein grausamer Tod. Ein Tod, den es nicht hätte geben müssen.
WATSON, RTL, SPIEGEL, KRONENZEITUNG, 20Minuten sowie viele weitere Print- und Onlinemedien sind sich inzwischen einig und schreiben darüber, daß das, was Vier Pfoten und u.A. auch MAP OF HOPE schon von Anfang an gesagt hat, zutrifft: Das Kind ist auf einem mit Hunden gesicherten Grundstück eingebrochen. Dies haben weder die Eltern mit ihrer Erziehung, noch die Oma mit ihrer durch Biergenuss getrübten Aufsichtspflicht verhindern können. Und die Hunde auf dem gesicherten Grundstück waren teilweise ehemalige Strassenhunde.
Ich frage mich, ob ich eigentlich der einzige bin, der neben dem Gefühl, Recht gehabt – und nach einem Jahr auch bekommen zu haben – das Bedürfnis hat, diesem kleinen Jungen, der eindeutig unschuldig gestorben ist, alleine schon deshalb, weil jedes Kind unschuldig ist, zu gedenken. Der kleine Ionut wurde von Anfang an instrumentalisiert. “Hunde haben mein Kind gefressen” war eine Schlagzeile. Im Fernsehen wurden die Eltern durch Herumreichen reich gemacht. Politiker, die ihre brutalen und sinnlosen Pläne für das Strassenhundemanagement bisher in Schubladen verborgen hatten, zogen diese Pläne jetzt heraus und beeilten sich, ein “Ionut-Gesetz” zu schaffen, um alles das zu rechtfertigen, für das sie warscheinlich bis September 2013 nicht so eine sichere Mehrheit bekommen hätten. Kinderschutzvereine entstanden, hinter deren Fassade Hundehasser jetzt alles das sagen und schreiben durften, was sie vorher sich nicht getraut hätten, und Ana Maita, eine publicitysüchtige Frau von eher bescheidenen intellektuellen Möglichkeiten, die wirklich alles tun würde, um in die Presse zu kommen, inklusive Nacktfotos ihrer Hausgeburt ins Internet zu stellen, okkupierte die “Gegen-Strassen-Hunde-Bewegung” und gab ihr die ihr genehme Richtung.
Ein Massaker begann, das zahlenmässig seinesgleichen in den Staaten der EU sucht. Alles in seinem Namen.
Wer war dieser kleiner Ionut? Wer war dieser Vierjährige, der es schaffte, an diesem schönen, sonnigen Septembertag seiner Grossmutter zu entwischen? Sein Bruder und er haben eine enorme Strecke zurückgelegt, wie die Rekonstruktion zeigt. Und sie haben gemeinsam Hindernisse überwunden, die fast nicht zu überwinden waren.
Sind sie schon früher ausgerissen und haben Abenteuer ausserhalb des abgesicherten Parkes erleben wollen? Wollten sie die Wildniss jenseits des Zaunes erobern? Wir alle waren Kinder, einmal. Wer von uns ist nicht schon einmal lieber in ein Brachgrundstück eingebrochen und hat dort in Büschen, Bäumen und zwischen Bauruinen Verstecken, Räuber und Gendarm, Häschen in der Grube oder sonst irgendetwas gespielt?
Wer von uns hat nie das Herzklopfen gesucht und genossen, wenn wir uns irgendwo aufhielten, wo wir nach Meinung der Erwachsenen nicht sein sollten/durften?
Wer von uns ist früher nicht geschickt an den “Eltern haften für ihre Kinder” Schildern vorbei durch Lücken in Bauzäunen geschlüpft?
Ionut war ein Kind. Ein unschuldiges Kind.
Und wenn ich der einzige der Tierschützer bin, der für die Strassenhunde in Rumänien kämpft, der das sagt, dann ist das vielleicht so. Aber: Ionut war ein kleiner unschuldiger Junge, der bei seiner unschuldigen Suche nach Abenteuern von der für seine Aufsicht zuständigen Grossmutter nicht beaufsichtigt wurde.
Ionut war ein Kind des neuen, europäischen Rumänien. Etwa solange auf der Welt wie Rumänien in Europa. Sein Vater hat einen modernen Beruf in der IT Branche. Die Eltern sind nicht arm. Er hatte eine Zukunft vor sich. Eine Zukunft wie viele Kinder in Rumänien. Und die Kinder sind in meinen Augen die Hoffnung auf Veränderung zum Positiven. Kinder sind erst einmal emphathischer als Erwachsene. Kinder wachsen mit der Gesellschaft, in der sie aufwachsen. Und bei Kindern fängt der Wandel an. Auch die Änderung in der Sicht der Strassenhunde muss von den Kindern bis zu den Erwachsenen erfolgen. Nicht umsonst gibt es so viele Projekte, in denen in Rumänien Schul- und Kindergartenkinder an Hunde in Tierheimen herangeführt werden und auf Veranstaltungen u.A. von Vier Pfoten lernen: Die Strassenhunde sind nicht unsere Feinde! Und wenn wir richtig mit ihnen umgehen, geht von ihnen so gut wie nie Gefahr aus.
Dieser kleine Junge könnte jetzt, mit 5 Jahren, in einer Halle sitzen, und mit grossen Augen Kunststücke der von Vier Pfoten beherbergten Strassenhunde sehen. Er könnte in ein paar Jahren in ein Projekt kommen, das Strassenhunde in einem Private Shelter füttert, könnte Hunde streicheln, könnte mitfühlen, wenn sie leiden, und könnte sich über Besserungen freuen.Er könnte sich in seiner Schulzeit für Tiere interessieren, er könnte einen guten Schulabschluss machen, und anschliessend Veterinärmedizin studieren.Ionut hätte eine Hoffnung für die Rumänischen Strassenhunde werden können, wie jedes clevere Kind von Eltern, die ihrem Nachwuchs eine solide Schulbildung ermöglichen können und die natürliche Eigenschaft von Kindern, positiv neugierig auf ihre Umwelt zugehen, aktiv fördern.Stattdessen hat die Fahrlässigkeit seiner Familie dazu geführt, daß der kleine Junge genau vor einem Jahr unbeaufsichtigt auf bewusstes Lagergrundstück kletterte. Hunde, die dort gehalten wurden, um Einbrecher dingfest zu machen, machten ihm die Flucht unmöglich.Der Junge muss furchtbare Minuten durchlitten haben, die ihm wie Stunden vorgekommen sein mögen.Dieses unschuldige Kind, das wie alle Kinder nichts Böses von ihrer Umwelt erwarten, muss schockiert gewesen sein, so gnadenlos attackiert worden zu sein, warscheinlich nach Sekunden schon zu Boden gefallen, und gnadenlos angegangen worden bei dem Versuch, mit seinen kleinen vierjährigen Händchen sein Gesicht zu schützen.Meine Gedanken sind heute bei diesem armen Kind, das einen grausamen und absolut vermeidbaren Tod gestorben ist.Und bei den Hunden. Denn was für Kinder gilt, gilt auch für Tiere:
Kinder und Tiere sind immer unschuldig!
Die Trauer um ein unschuldiges Kind ist nicht weniger legitim als die Trauer um alle Strassentiere, die in seinem Namen eingefangen, gequält, getötet wurden und noch getötet werden.
Viele Seelen sind in den letzten 12 Monaten von uns gegangen, die uns berührten.
Eine davon hiess auf Erden Ionut Anghel
Hamburg, den 02.09.2014
Eckhard Kretschmer