Entwicklung des tierärztlichen Berufs nicht in allen Ländern gleich

Europäische Tierärzte auf dem Weg nach Rumänien – Präsident der italienischen Tierärzteföderation (Fnovi) aktuell im Interview zum Thema: Strassenhunde

Interview (Deutsche Übersetzung) mit
Dr. Gaetano Penocchio, Präsident der Fnovi
von Viviane Barbieri
Freischaffende Redaktorin und Videojournalistin BR
Zürich CH


4 Juni 2015 Viviane Barbieri – Übersetzung nach dem italiensichen Original.

Die Föderation Tierärzte Europas (FVE) hat ihre Mitglieder diesmal zur Generalversammlung nach Iasi in Rumänien eingeladen (3 – 6 Juni)

Tierärzte aus ganz Europa werden in den kommenden Tagen über diverse Themen diskutieren – in einem Land, das seit September 2013 über ein so genanntes Tötungsgesetz verfügt und das seitdem immer wieder in die Schlagzeilen gerät auf Grund unglaublich brutaler Übergriffe auf Strassenhunde und sinnloser Massentötungen. In diesem Zusammenhang wurde bereits am 3. Juni ein Seminar zum Thema: “Stray dogs: present and future” organisiert. Bereits im Vorfeld zur GV gab es einen kleineren Skandal. So wurde der europaweit bekannte und politisch aktive rumänische Tierrechtler Claudiu Dumitriu kurzfristig ausgeladen. Nach diversen Protesten und Petitionsaufrufen auf den Social Media an die Adresse der FVE wurde Dumitriu schliesslich doch noch zugelassen.

Bevor die Tierärzte auf ihre rumänischen Kollegen treffen sollten, habe ich diverse Länder und ihre FVE-Delegierten um ein Interview gebeten zum Thema: “Umsetzung und Anwendung des Tötungsgesetzes gegen Strassenhunde seit September 2013 in Rumänien, eines EU-Mitgliedstaates – aus der Perspektive europäischer Tierärzte”. Von den sieben westeuropäischen Ländern, darunter auch Deutschland und England, waren ganze drei Tierärzte bereit, mir ein Interview zu geben. Darunter der Präsident der GST (Gesellschaft Schweizer Tierärztinnen und Tierärzte), Dr. Christoph Kiefer, einer der Vizepräsidenten der TäK (Österreichische Tierärztekammer), Dr. Dietmar Gerstner und aus Italien der Präsident der Fnovi (Federazione Nazionale Ordini Veterinari Italiani), Dr. Gaetano Penocchio.

Viviane Barbieri (VB): Dr. Pennocchio, inwieweit hat die Fnovi indirekt über die FVE, oder direkt versucht, Druck auf die rumänische Gesundheits- und Veterinärbehörde (ANSVSA) auszuüben, damit sie den Missständen nachgeht – z.B. indem sie mehr Kontrollen in Tierheimen fordert und Vergehen von Tierärzten ahndet, das Massentöten unterbindet und stattdessen wie versprochen, den Fokus auf das Kastrieren und auf Adoptions- sowie Aufklärungskampagnen legt?

Dr. Gaetano Penocchio: Die Fnovi hat als Bestandteil der FVE anlässlich der Generalversammlung im Mai 2014 und November 2013 aufmerksam die Präsentationen der rumänischen Delegation verfolgt, die aufgefordert worden war, ihre Pläne und Projekte vorzustellen, die sie im Zusammenhang mit dem Problem Strassenhunde in Angriff nehmen würde. Es ist nicht immer einfach, sensible Themen anzusprechen, ohne dass sich die Angesprochenen intellektuell verschliessen und eine Abwehrhaltung einnehmen, was natürlich verständlich, aber in keinster Weise produktiv ist.
In Italien wird Euthanasie von Strassenhunden bzw. Hunden in Tierheimen seit 1992 nur auf eine schmerzlose Weise und exklusiv nur von Tierärztenausgeführt und auch dann nur, wenn es sich dabei um todkranke Hunde
handelt, deren Krankheit, oder Befunde nicht mehr zu behandeln sind.

(V.B): Welche Instrumente stehen der FVE in Fällen von unethischem Verhalten von europäischen Tierärzten wie sie in Rumänien geschehen zur Verfügung und wurden solche schon angewendet und wenn ja, in welcher Form?

Dr. Gaetano Penocchio : Leider ist die FVE eine Vereinigung auf der Basis von freiwilligen Tierärzten und hat deshalb keine Mittel, um den so gennanten Vet Code in den einzelnen Ländern umzusetzen, oder andere Vorschläge bezüglich Selbstregulierung des Berufsstandes Tierarzt durchzusetzen, wie z.B. die Best Practices-Zertifizierung, geschweige denn, um Disziplinarmassnahmen gegenüber fehlbaren Tierärzten umzusetzen.
Die kulturelle Entwicklung des tierärztlichen Berufs ist nicht in allen Ländern gleich. Und häufig wird nur unter dem Druck und mit Hilfe der Medien ein Impuls durchgesetzt, der die Entwicklung und Durchsetzung von adäquaten Gesetzen zum Wohle der Tiere beschleunigt.

(V.B.): Hat die Fnovi seit Verabschiedung des Euthansiegesetzes Rumänien Unterstützung angeboten, und wenn ja, in welcher Form?

Dr. Gaetano Penocchio: Wir haben von Seiten der rumänischen Gesundheits- und Veterinärbehörde nie eine Anfrage für eine Zusammenarbeit zum Thema Strassenhundemanagement erhalten. Natürlich hätten wir in solch einem Falle jede mögliche Unterstützung angeboten.

(V.B.): Was würden Sie zu einer europäischen Mission ähnlich wie Tierärzte ohne Grenzen sagen, wo europäische Tierärzte gemeinsam in europäischen „Krisengebieten“ ganz konkret ihre Hilfe anbieten z.B. in Osteuropa beim Problem Strassenhunde? In Zusammenarbeit mit seriösen Tierärzten vor Ort könnte diese Mission z.B. regelmässig mobile, oder standortbezogene Kastrationskampagnen durchführen. Also finanzielle Unterstützung in Form von fachlicher Hilfe. Dadurch würde der einzige richtige Lösungsweg unterstützt und die europäische Mission würde auch Vorbildcharakter haben, wie man human und tierschutzgerecht mit Tieren umgeht.

Dr. Gaetano Penocchio: Wir sind für eine Zusammenarbeit unter Kollegen immer zu haben: Der Austausch von Wissen und Erfahrung ist der einzige Weg, schwerwiegende Probleme innerhalb der öffentlichen Gesundheit und des Tierschutzes zu lösen. Hinzu kommt, dass es viele Möglichkeiten gibt, auch die Finanzierung durch internationale Verbände und deren Einbeziehung aufzubauen, die bereit und entsprechend strukturiert wären, um mit Kollegen vor Ort zusammenzuarbeiten.
Tierschutz wird immer noch sehr unterschiedlich in den Ländern wahrgenommen, insbesondere dort, wo es vor allem um wirtschaftliche Probleme geht und wo noch ein anthropozentrischer Ansatz besteht (Anm. V.B. der Mensch wird als das wichtigste Element einer Ethik verstanden, dem alles unterzuordnen ist)

(V.B.): Wird die missbräuchliche Umsetzung des Euthanasiegesetzes in Rumänien auf der Agenda der Generalversammlung des FVE stehen?

Dott. Gaetano Penocchio : Es ist vorgesehen, dass der Präsident der FVE Christophe Buhot eine Art Feedback über das vorangegangene Seminar “Stray dogs: present and future” vom 3. Juni geben wird: Nach der Anhörung der Überlegungen, die aus dem Seminar heraus entstanden sind, wird das auch die Möglichkeit sein, die Meinung der Fnovi zu diesem Thema klar zum Ausdruck zu bringen.
Tierschutz ist ein zentraler Bereich innerhalb der Tätigkeiten des Tierarztes. Es sollte jedoch darauf hingewiesen werden, dass eine Hochschulausbildung und praxisbezogene Weiterbildung am Arbeitsplatz gewährleistet sein müssen, damit der Tierarzt sein Wissen immer wieder aktualisieren kann. Oft wird dem Beruf des Tierarztes eine grosse Verantwortung mitübertragen, die mit veralteten Richtlinien, oder kurzsichtigen administrativen Auflagen unvereinbar sind, mit dem Ergebnis, dass die Tiere dafür büssen müssen.

(V.B.): Herzlichen Dank