Achim Richter ist länger in Sachen Tierschutz in den Brüsseler Sitzungssälen unterwegs als so gut wie alle, die heutzutage vor Mikrophone treten und sich zum Thema Strassenhunde äussern.
Ein Mensch, dessen Kompetenz und gleichzeitig Empathie beeindrucken, vielleicht auch deshalb, weil er bescheiden wirkt, und ohne Facebook-Selfie-Sucht auskommt, und vielleicht gerade daher glaubwürdig und nachvollziehbarer erscheint, als viele Redebeiträge auf Veranstaltungen zur Streunerproblematik in diesen Tagen.
Die Besucher des Streunerfestival in Berlin hatten deshalb das Glück, dass er ein zweites mal das Wort ergriff, um seinen Standpunkt u.A. rund um die seit dem 08.10.15 in und aus Brüssel vernommene, nicht ganz neue Idee, das Schicksal der Strassenhunde mit der Gesundheit der Rumänischen Bevölkerung zu verknüpfen (Tollwutgefahr/Psychische Erkrankungen) zu erläutern.
Hier sein zweiter Redebeitrag auf dem Streunerfestival in Berlin am 17.10.2015
Der Tierschutz und die psychische und physische Gesundheit
Seit langem versuchen Tierschützer immer wieder durch Petitionen, Anschreiben und Gesprächen, die EU, die örtliche Politik und die Öffentlichkeit vom Tierschutz zu überzeugen. Teilweise hat es funktioniert, im Großen und Ganzen bringt es aber recht wenig.
Ich denke aber, es liegt einfach daran, dass die meisten Menschen nicht interessiert sind bzw. zu sehr gestresst werden mit solchen Themen, denn sie haben lieber ihre Ruhe und beschäftigten sich mit positiven oder belanglosen Dingen und nicht weil man diese Menschen zu wenig informiert und zu wenig tut. Wahrscheinlich gehört es aber zum psychischen Eigenschutz, dass dieses Mitempfinden unterdrückt wird.
Sobald es aber um Menschen geht, insbesondere um Kinder, sieht die Sache schon anders aus.
Dann ist das Interesse oder auch die Empörung bei negativen Dingen plötzlich im vollen Maß vorhanden.
Darum ist es sehr, sehr wichtig, den Tierschutz immer wieder im Zusammenhang mit dem Schutz der Gesundheit vom Menschen zu bringen. Allerdings nicht so, wie es im Moment in der EU im Zusammenhang mit der Tollwut anscheinend passiert.
Der Mensch soll nicht vor dem Tier geschützt werden, sondern der Mensch (UND NATÜRLICH DAS TIER) soll vor der Tierquälerei geschützt werden.
Das betrifft besonders die Kinder. Die Erwachsenen lernen zwar nicht mehr, das Tier als Lebewesen in dem Sinne wie andere Menschen zu respektieren, aber von Tierquälerei können sie ebenso psychisch betroffen sein. Nicht jeder kann es ignorieren, vor allen Dingen bei direkter Konfrontation.
Probleme von Menschen die nicht im Tierschutz aktiv sind und mit Tierquälerei konfrontiert werden sind z.B.:
-
Anhaltende Alpträume
-
Psychische Probleme
- Wenn es auf Dauer passiert auch physische Probleme
-
Dauerhaft anhaltende Trauma, gerade bei Kindern
- Wenn es auf Dauer passiert eventuell auch ein Gewohnheitseffekt, man ignoriert es weil man es kennt.
- Es findet eine Verrohung statt, die sich in Gewalt gegen Tiere aber auch Menschen äußert.
- Eine Studie in Bistrita/Rumänien an 162 Kindern hat gezeigt, dass 86% schon einmal mit Tierquälerei auf den Straßen konfrontiert wurden.
Die Kinder sind unsere Zukunft, an ihnen liegt es, wie in Zukunft mit unseren Mitlebewesen, den Tieren umgegangen wird.
Ein anderes Problem ist, das immer mehr Kinder Spaß am Töten und Quälen von Tieren haben, es tritt also ein gewisser negativer Lerneffekt ein. Welpen oder erwachsenen Hunde, Katzen aber auch Pferde, Esel und Kühe etc. werden mit Benzin übergossen und angezündet, sie werden als Fußball missbraucht oder sexuell misshandelt. Nicht auf dem Hinterhof, sondern in aller Öffentlichkeit. Sie sehen es von den Erwachsenen, im Fall von Rumänien, aber auch in anderen Ländern, z.B. bei den Hundefängern, wo sich die Misshandlungen und Tötungen in aller Öffentlichkeit abspielen.
Die Tierschutz-Organisation PETA hat zu diesem Thema eine interessante Broschüre für Polizisten Staatsanwälte, Richter und Pädagogen herausgebracht. Der Name ist „Menschen die Tiere quälen, belassen es selten dabei“.
Darin werden Beispiele von Massenmördern sowie besonders grausamen Mördern genannt, die allesamt mit Tierquälerei angefangen sind. Das alles ohne Polemik sondern wissenschaftlich fundiert.
Die Erwachsenen kann man nur über die Gesetzgebung zum vernünftigen Umgang mit dem Tier erziehen. Man muss den Tierschutz also immer wieder und wieder in den Zusammenhang mit dem Schutz der Kinder und aber auch Erwachsenen bringen, in jeder Petition und in jeder Präsentation und in jeder Unterschriftensammlungen.
Die Kinder sind für die meisten Erwachsenen, Politikern wie Privatleuten und Prominenten wichtig, nicht die Tiere.
Für die EU aber und auch für die einzelnen Länder ist die Gesundheit der Menschen insgesamt aber auch ein Ziel, was in den Verträgen der EU und den Gesetzen der Länder verankert ist.
Wie bringt man die EU aber dazu, Tierschutzgesetze zu erlassen?
Eigentlich nur über die gemeinsamen Ziele, die in den Verträgen festgelegt sind. Eines dieser Ziele ist, wie oben erwähnt, die menschliche Gesundheit. Sie ist ein Ziel, das im dritten Kompetenzgebiet der EU festgelegt ist. In diesem Feld haben die Länder zwar die alleinige Zuständigkeit, aber die EU kann regulierend und unterstützend eingreifen.
Im speziellen Fall von Rumänien könnte man auch die Menschenrechte, übrigens ein sehr wichtiges Ziel in den EU Verträgen, mit ins Spiel bringen. Es hat viele Fälle gegeben, wo die Hundefänger Privatgrundstücke ohne Erlaubnis betreten und die Haustiere gestohlen haben, oder den Menschen auf der Straße einfach ihre Hunde gestohlen und dabei die Menschen bedroht und verletzt haben.
Dass die menschliche Gesundheit und der Tierschutze bzw. die Tiergesundheit zusammen gehören ist eine Meinung, die zum Beispiel die OneHealth Initiative vertritt. Sie besteht aus der Kollaboration verschiedener Disziplinen, lokal, national und global, mit dem Ziel optimale „Gesundheit „ für Menschen, Tiere und die Umwelt zu erreichen.
Die Grundidee dahinter besagt, dass die Gesundheit von Menschen, Tieren und Umwelt sich gegenseitig bedingen, z.B.
-
Infektiöse Krankheiten
-
Komparative Medizin (das bedeutet die Brücke zwischen der veterinären und humanen Medizin)
-
Umweltschutz
Oder einfach ausgedrückt, der Mensch ist nur gesund, wenn das Tier und die Umwelt gesund sind. Das bedeutet z.B. bei den Farmtieren, wenn es keine Antibiotika und Massentierhaltung gibt und das Tier auch ansonsten gesund ist, bleibt auch der menschliche Körper beim Genuss des Fleisches gesund. Ich selber bin zwar Vegetarier, aber von heute auf morgen den Fleischkonsum abzuschaffen, halte ich persönlich für unrealistisch.
Wenn man dies auf das Gebiet bezieht, um das es heute geht, kann man es auch so ausdrücken, dass wenn es keine Tierquälerei gibt, braucht man sich als Tierschützer auch keine Sorgen machen, man braucht sich keine Nächte , Wochen, Monate und Jahre um die Ohren schlagen um dagegen anzukämpfen. Denn eins ist klar, durch die Tierquälerei leiden die Psyche, die Seele und der Körper unter diesem Stress.
Gesundheitliche Probleme bei Menschen die im Tierschutz aktiv sind:
-
Man hat das Gefühl nicht helfen zu können
-
Tierschutz wird von der Politik sehr häufig ignoriert oder sogar blockiert
-
Gerade die, die etwas bewegen könnten, tun es nicht
-
Dadurch kommt das Gefühl auf, auf der Stelle zu treten und nicht weiterzukommen
-
Immer wieder grausame Geschehnisse, Bilder, Filme, Informationen
-
Anhaltende Alpträume
-
Psychische Probleme, Frustration, Depressionen, Burn-Out
- Wenn es auf Dauer passiert auch physische Probleme (Magen-, Darm-, Herz-und Kreislaufprobleme
-
Im Extremfall kann die Frustration und Hilflosigkeit zum Selbstmord führen, wie z.B. bei dem jungen Mann mit Namen Krisko, der sich in Bulgarien im Januar 2014 aus diesen Gründen das Leben genommen hat.
Die One Health Initiative ist eine sehr wichtige Organisation, z.b. One Health – The Link beinhaltet folgende Themen:
- Verbindung zwischen Tierquälerei und zwischenmenschlicher Gewalt, d.h. in Haushalten wo Tierquälerei stattfindet, gibt es auch häusliche Gewalt untereinander.
-
Tierquälerei als Diagnosekriterium einer Verhaltensstörung/ antisozialen Persönlichkeitsstörung
- Auch Vernachlässigung von Tieren und Animal Hoarding gibt Hinweise auf psychische Gesundheit /Störungen von Personen
Unterstützt wird die OneHealth Initiative seit 2007 von:
- One Health Commission (USA):
-
American Medical Association (AMA),
- American Veterinay Medical Association (AVMA)
- American Society of Tropical Medicine and Hygiene
- The American Association of Public Health Physicians
- Centers for Disease Control and Prevention
-
> als 700 prominente Wissenschaftler
-
Selbst die OIE hat die Wichtigkeit der OneHealth Theorie erkannt. Die OIE ist die „Welt Organisation für Tiergesundheit“ mit Sitz in Paris. Auf ihrer Webseite greifen sie das OneHealth Thema nämlich auch auf. Genau mit der OIE arbeitet die EU aber auch besonders eng zusammen. Somit könnte sich der Kreis dort schließen.
Bei der EU taucht dieses Thema übrigens auch auf. Mehr Informationen findet man auf der Webseite:
http://eeas.europa.eu. So etwas wird aus bekannten Gründen natürlich nicht publiziert.
Tierschutz darf nicht separat betrachtet werden!
Ich will mit diesem Vortrag sagen, dass der Tierschutz nicht separat betrachtet werden darf, sondern konsequenterweise immer im Zusammenhang mit der psychischen und physischen Gesundheit des Menschen. Ihr alle kennt das Gefühl von Frustration, Wut und Zusammenbruch. Mit dem Tierschutz als separates Thema werden wir nur unter uns bleiben, unter uns Tierschützern. Wir müssen aber auch Menschen wachrütteln und Politiker mobilisieren, die nichts mit dem Tierschutz anfangen können oder wollen, aber genau die brauchen wir.
Darum möchte ich noch einmal wiederholen, was ich in meiner anderen Rede schon gesagt habe.
Der Zweck heiligt die Mittel.
Zu guter Letzt habe ich noch eine große Bitte.
Zusammenarbeit:
Die Tierschützer müssen einfach mehr und besser zusammenhalten.
- Die ständigen Streitereien sind absolut kontraproduktiv.
- Entweder weil die Spenden nicht dort ankommen, wo sie hinsollen,
- oder weil besonders sensible Menschen nach Streitereien den Tierschutz verlassen
- oder weil man von der Politik wegen der Streitereien und weil die einzelnen Tierschutzgruppen oftmals sehr klein sind, einfach nicht ernst genommen wird.
Hierbei gibt es keinen Gewinner.
Es gibt aber jede Menge Verlierer und das sind die Tiere, die Tiere, die wir eigentlich schützen wollen.
Ab und zu einfach mal das EGO spazieren schicken, den Rechner oder das Telefon ausschalten oder der Diskussion für eine halbe Stunde aus dem Wege gehen. Auch wenn man sich im Recht fühlt, einfach mal eine Runde joggen gehen, einen Tee oder Kaffee trinken, oder einfach abschalten. Dann geht vieles besser.
Wir müssen zusammenarbeiten, nur so stellen wir eine große Macht dar und können etwas erreichen.
- Es müssen gemeinsame Aktionen gestartet werden, um Forderungen durchzusetzen.
- Lieber eine Petition mit 50 000 Unterschriften, als 3 Petitionen mit jeweils 10 000 Unterschriften.
Einfach mal durch den Kopf gehen lassen.
Danke!