Thomas Hartung und Marcel Leist

„Der Weg ist das Ziel“

Zwei Leben für die 3R-Forschung

Die Toxikologen Thomas Hartung und Marcel Leist gelten weltweit als Pioniere der 3R‑Forschung – einem Forschungszweig, der sich unter anderem mit der Entwicklung von Ersatzmethoden für Tierversuche beschäftigt. Lange Zeit wurde die Toxikologie als jene wissenschaftliche Disziplin wahrgenommen, in der der Ersatz von Tierversuchen nahezu undenkbar erschien. Dies hat sich in den letzten Jahren grundlegend geändert, und so erlebte diese Wissenschaft indessen selbst eine „stille Revolution“. Beide Wissenschaftler entschieden sich für einen alternativen Karriereweg bereits zu einem Zeitpunkt, als es fraglich war, ob dieser zum Erfolg führen oder in einer Sackgasse enden würde. Im Oktober wurden die Forscher nun mit dem Ursula M. Händel-Tierschutzpreis für Ihr Lebenswerk sowie die Entwicklung einer computerbasierten Alternativmethode ausgezeichnet.
Die Erfolgsgeschichte zweier Wissenschaftler – erzählt anhand eines eindrucksvollen Interviews. (…)

„Der Weg ist das Ziel“ ist der Auftakt eines dreiteiligen Interviews, das in Etappen an diesem Wochenende veröffentlicht werden wird.
Faszinierend, interdisziplinär und unverzichtbar sind gewiss Adjektive, die die toxikologische Forschung treffend beschreiben − zeitgleich, aber auch festgefahren und unnachgiebig hinsichtlich der bislang vorherrschenden Einstellung zur Notwendigkeit von Tierversuchen, insbesondere im Zusammenhang mit toxikologischen Sicherheitsprüfungen. Dies könnte sich nun ändern.
Die bis dato gesetzlich vorgeschriebenen Giftigkeitstests werden im Rahmen der Bewertung chemischer Erzeugnisse sowie der Arzneimittelzulassung, häufig durch Contract Research Organisationen (CROs), wie z. B. das Unternehmen LPT – seit 2021 unter dem Firmennamen Provivo Biosciences bekannt – oder auch Covance, im Auftrag der chemisch/pharmazeutischen Industrie durchgeführt.
Insbesondere in diesem Bereich, werden die Namen zweier renommierter Wissenschaftler seit mehreren Jahrzehnten weltweit mit der Entwicklung und Validierung von Ersatzmethoden, dem sogenannten Replacement, unmittelbar assoziiert: Prof. Dr. Dr. med. Thomas Hartung von der John-Hopkins University in Baltimore, USA/Universität Konstanz und Prof. Dr. Marcel Leist, ebenfalls von der Universität Konstanz.

Als erste Forscher überhaupt, ist beiden die Entwicklung einer computerbasierten Alternativmethode gelungen, die gegenüber neun der wichtigsten Tierversuche in der toxikologischen Sicherheitsprüfung, bessere Resultate hinsichtlich der Reproduzierbarkeit der Daten lieferte, und das „per Knopfdruck! – Künstliche Intelligenz schlägt Tierversuch!“.

Dennoch machen beide Wissenschaftler ungeachtet aller Erfolge, die sie bislang verzeichnen konnten, im Interview eines deutlich: Der Karriereweg, für den sie sich aus voller Überzeugung entschieden haben, erzählt nicht nur von einem Fortkommen, sondern auch von einem Kampf um die Anerkennung von Ersatzmethoden in Wissenschaft, Politik und regulatorischen Behörden sowie der Finanzierung ihrer Forschung. Zudem sprechen beide über ihre beispiellose 3R‑Karriere und die Beweggründe dafür, ihre Einstellung zu Tierversuchen, das Thema Nachwuchsförderung und den sich fast lautlos, aber stetig vollziehenden Paradigmenwechsel in der Toxikologie, der einer Etablierung von modernen Forschungsansätzen weiteren Aufwind verschaffen dürfte.

1. Einführung

2. “Der Weg ist das Ziel” (Interview mit Prof. Dr. Dr. med. Thomas Hartung)

3. “Der Weg ist das Ziel” (Interview mit Marcel Leist)